Category Archives: ganzheitliches Design

Hier geht es nicht nur um die ästhetische Gestaltung von Räumen, sondern darum, wie unser Zuhause zu einem integralen Bestandteil unseres Lebens werden und unser körperliches und seelisches Wohlbefinden fördern kann. Dieser Ansatz konzentriert sich auf die Ganzheitlichkeit des menschlichen Lebens und strebt danach, den Raum in Einklang mit den Werten, dem Lebensstil und den emotionalen Bedürfnissen der Menschen zu bringen, die darin leben.

Sōtō – holistische Einrichtungsstile 1.8.

Das perfekte Weniger – wenn der Raum zur Stille wird

Manchmal entsteht der größte Frieden nicht aus dem, was wir hinzufügen, sondern aus dem, was wir loslassen. Eine leere Ecke, in der nur das morgendliche Sonnenlicht verweilt. Ein niedriger Tisch, auf dem nur ein Bonsai steht. In der Welt von Sōtō wetteifern die Dinge nicht um unsere Aufmerksamkeit – vielmehr lassen sie Raum für das, was wirklich zählt: die Stille, das Hier und Jetzt, für uns selbst.

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Dieser Stil ist nicht einfach Minimalismus. Sōtō ist die Kunst des bewussten Weglassens, bei der das Zuhause nicht nur Wohnraum, sondern auch eine Art meditativer Raum ist. Nach dem Prinzip „weniger ist mehr als genug“ wandelt sich nicht nur die Anzahl der Gegenstände, sondern vor allem auch ihre Bedeutung. Hier geht es nicht darum, das Wesentliche zu verlassen – ganz im Gegenteil: nur das Wesentliche bleibt.

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Neuroästhetisch begründetes Design – holistische Einrichtungsstile 1.9.

Schön, weil es beruhigt – wenn sich auch unser Geist zu Hause wohlfühlt

Stell dir einen Raum vor, in dem jede Bewegung ganz selbstverständlich wirkt. Das Licht schimmert dort, wo deine Augen zur Ruhe kommen können, das Fühlen ist ein Erlebnis, und das, was du siehst, gefällt dir nicht nur, sondern erfüllt dich mit einem tiefen, unerklärlichen Wohlgefühl. Als ob der Raum spüren würde, wonach du dich sehnst. Das ist keine Magie – das ist Neuroästhetik.

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Dieser Ansatz geht über die visuelle Schönheit hinaus. Das Ziel eines neuroästhetisch basierten Designs ist nicht nur Dekoration, sondern die bewusste Unterstützung der Funktion des menschlichen Gehirns und Nervensystems. Dieser Stil sieht nicht nur gut aus – sondern wirkt auch positiv. Er entschleunigt, belebt, fokussiert oder beruhigt – je nachdem, was du brauchst. So wird das Zuhause nicht nur zum Wohnraum, sondern auch zum Verbündeten deines Nervensystems.

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Warum haben ausgerechnet diese holistischen Designs die Welt erobert? – 1.B.

Wie kommt es, dass diese weltweit verbreiteten holistischen Strömungen ihren Ursprung in Skandinavien haben und sich bis in verschiedene asiatische Länder ausbreiten? Was ist der Grund dafür, dass die nordeuropäischen Volksgruppen zurückhaltender und verschlossener sind, aber dennoch wertvolle holistische Strömungen hervorbringen? Im Gegensatz dazu sorgt beispielsweise aus touristischer Sicht die Atmosphäre des Mittelmeerraums für ein Erlebnis für die Europäer – sie ist lebensfroh und strahlt Freundlichkeit aus. In der vorgestellten Liste* war beispielsweise nicht von „holistischem mediterranem Design” die Rede. Was könnte der Grund dafür sein? Kann das temperamentvolle Wesen der Mittelmeerbewohner diese Spiritualität extrovertiert ausleben, während Menschen, die in einem zurückhaltenderen kulturellen Umfeld im Norden leben, eine ruhigere innere Suche benötigen? Oder fesselt und befriedigt die Dynamik des mediterranen Lebensumfelds den menschlichen Geist so sehr, dass ein solches Bedürfnis gar nicht entsteht?

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Ich habe das mediterrane und das nordeuropäische Beispiel lediglich beispielhaft gewählt, da das Gefühl eines Mangels hier vielleicht besonders deutlich wahrnehmbar ist. All dem steht jedoch in gewisser Weise entgegen, dass auch die indische Kultur ebenso intensiv extrovertiert sein kann wie ein mediterranes Umfeld, und dort dennoch das Vastu Shastra präsent ist. Allerdings wirkt die indische Kultur nur aus der Ferne wie eine einzige Kategorie – tatsächlich ist sie sehr vielschichtig (und mehrere Jahrtausende alt), von zahlreichen Kasten geprägt, und in ihr haben sowohl holistische Ansätze als auch oberflächliche materielle Lebensfreude reichlich Platz.

Was sind die gesellschaftlichen und sozialen Gründe dafür?

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Mediterran – holistische Einrichtungsstile 1.10

Die Gesichter des Sonnenlichts – wenn das Zuhause zum Feiern einlädt

Es gibt Räume, in die man nicht nur gern eintritt, sondern in denen man auch bleiben möchte. Wo das warme Licht einen fast streichelt, in den Rissen des Putzes Geschichten schlummern und immer ein Hauch von frisch gebackenem Brot, ein Glas Wein oder die Erinnerung an den Duft des Meeres in der Luft liegt. Das mediterrane Zuhause ist nicht bloß Ästhetik – es ist vielmehr ein Lebensgefühl, das über unsere Sinne die Seele anspricht. Diese Welt ist offen, pulsierend und einladend: Sie bietet keine Abgrenzung, sondern Verbindung.

Der mediterrane Raum beruhigt nicht wie der japanische Minimalismus, sondern öffnet. Er lädt ein zu einem Abendessen, zu einem Lachen, zu einem Moment auf der Terrasse, wenn die Welt zugleich zeitlos und heimisch erscheint.

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In den mediterranen Regionen – in Italien, Griechenland, Spanien – laden das reichliche Sonnenlicht, das milde Klima und der Reichtum der Natur die Menschen nahezu ständig nach draußen ein. Den Großteil des Lebens kann und pflegt man im Freien zu verbringen, auf offenen Gemeinschaftsflächen, Märkten und Plätzen. Hier wird Harmonie weniger durch Innenschau und Reflexion erreicht, sondern vielmehr durch gemeinschaftliche Beziehungen, sinnliche Erfahrungen und den direkten Kontakt mit der Natur.

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Weitere ländliche, volkstümliche Wohnkulturen – holistische Stile 1.11.

Der Raum der europäischen Volksseele – das holistische Erbe der Wohnkulturen

Obwohl sie in unterschiedlichen Sprachen entstanden sind und sich aus verschiedenen Religionen sowie landschaftlichen Gegebenheiten speisen – wie beispielsweise ungarische und französische Landhäuser, deutsche Alpenhäuser, polnische, rumänische und slowakische Volkswohnhäuser –, haben sie überraschend ähnliche Fragen beantwortet: Wie kann man mit der Natur in Harmonie leben, in Gemeinschaft miteinander, und dennoch im Inneren Geborgenheit finden?

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Mitteleuropäische ländliche, volkstümliche Wohnkulturen in zeitgenössischer Deutung (Inspirationen)

Diese Interieurs sind nicht aus Designkonzepten erwachsen, sondern aus dem Alltag. Der Mensch, der von der Erde lebt, vom Wetter abhängig ist und dessen Zuhause nicht nur Wohnraum, sondern zugleich Arbeitsplatz, Heiligtum und sozialer Raum ist, richtet sein Heim instinktiv holistisch ein. Der Raum ist nicht vom Zeitverlauf getrennt: Er folgt den Jahreszeiten, den Alltagen und den Festen. Das Haus wird zur Erzählung: Es berichtet von der Familie, der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft, vom Glauben, von Überzeugungen und von der Anpassung an den Rhythmus der Natur.

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Provence: französischer Landhausstil – holistische Stile 1.11.1.

Die Seele der Provence im Raum

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Das provenzalische Bauernhaus, der „mas provençal“, ist der natürliche Ausdruck des südfranzösischen Lebensstils: Aus Erde gebaute Häuser scheinen aus der Landschaft zu wachsen, umgeben von Lavendelfeldern, Olivenhainen an den Hängen und steinigen Pfaden. Die Raumphilosophie ist hier das Feiern des Lebens: Massive Steinwände, Fensterläden, patinierte Holztüren und schmiedeeiserne Details schaffen ein Gefühl von Zeitlosigkeit. Das mediterrane Licht und ein entschleunigter Lebensstil prägen die Raumgestaltung – das Haus ist offen zur Außenwelt, bietet jedoch zugleich Schutz. Die provenzalische Holistik basiert auf Sinnlichkeit und der Liebe zur Gemeinschaft, wobei Küche, Kamin und Garten gleichermaßen spirituelle Mittelpunkte sind.

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Alpenstil – holistische Stile 1.11.2.

Alpenstil – das deutsche Berghaus als Bastion der Identität

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Der im deutschsprachigen Alpenraum – insbesondere in Bayern und Tirol – entstandene Alpenstil oder Bauernhaus ist nicht nur eine architektonische Form, sondern auch ein Träger von Identität. Die auf massiven Steinfundamenten ruhenden Holzbauten, tiefen Dachüberstände, kunstvoll geschnitzten Balkone und blumengeschmückten Fensterkästen sind räumliche Ausdrücke des Zusammenlebens mit der Natur und einer arbeitszentrierten Lebensweise.

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Die polnische Chata – holistische Stile 1.11.3.

Chata – das aus Holz errichtete Gefäß der polnischen Volksseele

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Die polnische Chata (Bauernhof oder Landhaus) ist ein sanfter und warmer Wohnraum, der auf einer Lebensweise basiert, die von Landwirtschaft und katholischem Glauben geprägt ist. Die aus Holz erbauten, mit Schindeldach versehenen Häuser schöpfen zugleich aus der Nähe zum Wald und zur Erde. Typisch sind der mit christlichen Symbolen verzierte Eingang, der Hausaltar im Inneren und die kunstvoll geschnitzten Balken – jedes Element bemüht sich, die Spannung zwischen spirituellem und praktischem Leben zu überbrücken.

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Zakopane-Architektur und gorale Raumphilosophie – holistische Stile 1.11.3.B

Die Identität des Gebirges – Nationalromantik und Raumwahrnehmung

Stellen wir uns vor: Wir wachen morgens auf, und die Gipfel der Tatra leuchten goldfarben im Sonnenlicht, während auf den Balken des Hauses noch der Tau glitzert. Das ist nicht nur ein romantisches Bild – es ist das Wesen des goralen Lebensgefühls.

Die Goralen-Volksgruppe (auf Polnisch: Górale) lebt in den Bergen Südpolens – in der Tatra und der Region Podhale, wo die gebaute Umwelt seit Jahrhunderten im Einklang mit der Landschaft atmet. Hier ist jedes Haus ein Gedicht aus Holz, jede Verzierung ein Gebet in Stein.

Als Stanisław Witkiewicz* diese Häuser zum ersten Mal erblickte, war ihm sofort klar: Das ist mehr als Architektur. Das ist eine ganze Weltanschauung, in Material gegossen. Der Zakopane-Stil entstand mit seinem Namen als künstlerische Neuinterpretation dieses Goralen-Erbes: archaische Raumorganisation + Jugendstil-Motive + handwerkliche Materialverwendung = eine einzigartige nationale Raumsprache.

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Zusammenleben von Tourismus und Tradition in der Zakopane-Region**

Das Haus bietet hier nicht nur Schutz: Es vermittelt eine Weltanschauung. Die Verzierungen sind nicht prunkvoll, sondern Bekenntnisse in der Sprache der Schnitzkunst. Jeder Schnitt, jedes Muster erzählt eine Geschichte – von Freiheit, von Gott, von den Bergen, unter denen sie leben.

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Die Blumen von Zalipie: Von Dekoration zur Identität, von Malerei zur Raumphilosophie – holistische Stile 1.11.3.C

Malerei als Antwort auf das Leben – die Geburt einer Tradition

Stellen wir uns vor: ein grauer Wintermorgen, an dem die Wände des Hauses dunkel und verrußt sind und die Frau ihren Pinsel in weißen Kalk taucht. Dann plötzlich – als würde der Frühling einziehen – entfaltet sich eine rosafarbene Blume an der Wand.

Zalipie ist eine kleine Siedlung im Südosten Polens, die jahrhundertelang ruhig lebte – bis ihre Wände begannen, durch Blumen zu sprechen. Diese Geschichte handelt nicht von Dekoration, sondern von der Kunst, Hoffnung zu malen.

Zur Zeit der schornsteinlosen Häuser des Typs „kurnych chata“ waren die Innenwände dunkel und verrußt. Stellen wir uns vor: Jeden Tag in einem Raum aufzuwachen, in dem der Rauch in die Wände eingezogen ist, wo es in den Wintermonaten fast keine Farben gibt. Die Bäuerinnen begannen, zunächst durch Kalken, später mit bemalten Blumenmustern, den Raum aufzuhellen und zu erwärmen — als poetische Antwort auf das Leben.

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Das war keine Dekoration, sondern eine Überlebensstrategie. Die Verzierung wurde zunächst zur praktischen Maßnahme, dann zum Symbol, schließlich zur Identität: Sie war nicht nur schön, sondern entfaltete auch eine spirituelle und raumgestaltende Kraft.

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